Wut:  Eine Phänomenologische Skizze
 
C. George Boeree, Ph.D.
 
Trans. Diana Wieser


Die folgende phänomenologische Skizze basiert auf der Arbeit aus verschiedenen Seminaren zu qualitativen Methoden, dort wurden selbstentworfene Protokolle verwendet und nach der “Workshop”-Methode analysiert.
 
Wegbereiter der Wut

Bevor wir wütend werden, sind wir gewöhnlich irgendwie “schlechter Laune”. Oft hatten wir einen schlechten Tag, sind überarbeitet oder übermüdet. Vielleicht fühlen wir uns auch körperlich nicht wohl. Ziemlich verbreitet ist auch, dass wir vorher getrunken haben—es scheint klar, dass der Alkohol uns irgendwie für Wut und andere Emotionen empfänglicher macht, möglicherweise indem er unsere normale Selbstkontrolle lockert.

Ein anderer Wegbereiter der Wut sind unsere Persönlichkeiten oder Temperamente. Manche Menschen sind prädestiniert, allen Schwierigkeiten mit Wut zu begegnen. Ich meine, dass Menschen, die relativ selbstzentriert sind (im Gegensatz zu "fremdzentriert"), bei Schwierigkeiten leichter in eine emotionale Reaktion verfallen als andere.

Die Umgebung oder das Setting könnte auch eine Rolle spielen. Bestimmte Settings tragen eher zu Wut bei als andere: Wenn es nämlich laut ist, verwirrend oder generell aufregend; wenn man selbst Zeuge von Wut oder Aggression wird; wenn man sich an einem Ort befindet, der sogar mit Wut oder Aggression assoziiert wird; wenn Wut auf irgendeine Weise gefördert wird....

Zwar sind Stimmung, Persönlichkeit und Setting wichtige Variabeln, sind sie für die Wut dennoch nicht essentiell. Eine Stimmung, die allerdings auf inneren Schwierigkeiten oder anderen Schwierigkeiten basiert, kann zu Wut werden, wenn sie von einem kleinen aber unmittelbaren Problem ausgelöst wird. Geschieht dies, stellen wir oft fest: „das ist nicht wirklich das, was uns wütend macht“, das heißt, das kleine Problem ist nicht das tatsächliche Problem.

Ursachen

Worte, welche die “Auslöser” von Wut beschreiben, umfassen zum Beispiel: es sei einem Unrecht getan worden, fehlende Gerechtigkeit, Betrug, Misshandlung, Missgunst, Eindringen in die eigene Privatsphäre, Verletzung gesellschaftlicher Normen, Verletzung der Reputation, Hilflosigkeit, Frustration, blockierte Ziele, Kontrollverlust und so weiter.

Die Essenz all dieser Auslöser ist, dass die eigenen Erwartungen verletzt wurden, die Ordnung der eigenen Realität, insbesondere im Bezug auf die persönliche Ordnung, das heißt, auf die eigene Identität. Anders ausgedrückt, reagieren wir auf eine Situation mit der Einstellung, dass das jetzt nicht passieren sollte, besonders mir selbst nicht. Die Dinge sollten auf ganz bestimmte Weise ablaufen: Ich habe Rechte, ich habe meinen Stolz, meinen Ruf; was ich mache, geht nur mich etwas an, ich sollte zuende bringen können, was ich mir vorgenommen habe, es sollte so laufen, wie ich es mir vorgestellt habe; so laufen die Dinge in dieser Gesellschaft, und bestimmte Abwandlungen bringen Chaos mit sich und müssen vermieden werden; die Welt ist rechtmäßig, eingeschlossen einer Art von Gerechtigkeit, die über jeder nur gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeit steht, und etwas oder jemand verstößt gegen diese Rechtmäßigkeit.
Es ist jedoch klar, dass nicht jeder auf eine solche Situation mit Wut reagiert. Wir könnten auch Angst empfinden und fortlaufen, oder wir könnten Traurigkeit empfinden, dann versuchen wir vielleicht, uns dem Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit anzupassen.

Es gibt gute Gründe zu behaupten, dass Wut nicht das erste Gefühl ist, das wir empfinden, wenn wir ganz genau hinsehen, denn einige andere Gefühle gehen der Wut voraus. Zuerst kommt das bedrückende Bewusstsein, dass die Dinge aus den Fugen geraten sind. Angst wäre ein gutes Wort dafür. Es ist auch möglich, dass Traurigkeit der Wut vorausgeht. Damit ist ein Faktor, der die Wut von anderen Reaktionen auf Schwierigkeiten unterscheidet, ihre Position, denn sie kommt an zweiter Stelle.

Konkreter bedeutet Wut eine aktive Antwort auf die Schwierigkeiten. Wut betrachtet das Problem als „dort draußen“ statt „hier drinnen“, sie sieht das Problem als etwas, mit dem man sich konfrontieren muss, statt davor wegzulaufen.

Obgleich unsere Wut zumeist von Menschen ausgelöst wird, können wir auf alles mögliche wütend sein. Wir werden auf Dinge wütend, wenn wir etwa eine Reifenpanne haben. Etwas hält uns davon ab, das zu tun, was wir wollen, etwas nimmt uns die Kontrolle über das eigene Leben, und deshalb werden wir wütend.

Wir können auch auf uns selbst wütend sein, wenn wir zum Beispiel etwas Dummes tun. Dies kann nur geschehen, wenn man sich aufteilen kann in Opfer und Ursache, das heißt, wenn man einen Teil von sich selbst „externalisiert“, so dass man diesem Teil die Schuld geben kann, ohne dass man einsehen müsste, dass man sich an die Gegebenheiten anpassen sollte. Immer handelt es sich um einen „dämlichen Fehler“. Wenn man jemanden schubst, der wütend auf sich selbst ist, dann wird dessen Wut schnell auf dich übergehen, dann ist diese Person bald wütend auf dich. Wenn man den Fehler aber vollends akzeptiert, wandelt sich die Emotion in Traurigkeit.

Wir kennen auch die Stellvertreterwut, das geschieht, wenn wir über etwas wütend werden, das anderen geschehen ist, selbst dann, wenn das Ereignis nichts mit uns zu tun hat. Auch hier mag es sich um das Empfinden handeln, dass etwas unserem Gerechtigkeitssinn zuwider läuft; oder es kommt dadurch zustande, dass wir uns in die Lage eines anderen Menschen versetzen können (Sympathie, Empathie, Mitgefühl...).

Ein Kursteilnehmer drückte dies sehr schön aus: Er sagte, dass die Wut aus deiner Seele kommt, also aus deiner Identität, dem, was du bist. Trotz all der physischen und verhaltensbezogenen Effekte, die so leicht mit Wut in Zusammenhang gebracht werden, kommt sie im Grunde einfach „aus der Seele“.

Körper

Die körperlichen Korrelate der Wut sind klar, selbst wenn wir nur ein bisschen wütend sind. Der Herzschlag verändert sich, wird zumeist schneller und scheint lauter zu werden. Die Atmung beschleunigt sich. Die Körperhärchen stellen sich auf, wir haben “Gänsehaut”. Der Körper, insbesondere das Gesicht fühlen sich heiß an, wir werden rot. Man fühlt sich leicht im Kopf oder hat das Gefühl, das sich Blut im Kopf staut. Die Haut, besonders an den Händen, kann feucht werden. Die Augen können tränen. Man bekommt Magenprobleme. Mund und Hals fühlen sich trocken an, der Hals scheint sich zusammenzuziehen.
Unsere Muskeln sind angespannt. Das empfindet man oft so, als baue sich Druck auf, ein Gefühl, als würde man gleich explodieren. Man wird vielleicht „hyperaktiv“, hantiert unaufhörlich mit irgendwelchen Sachen, knirscht mit den Zähnen, ballt die Fäuste, wippt mit den Füßen. Man spricht eher lauter und schneller als gewöhnlich.

All diese Anspannung kann uns ermüden, man bekommt Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen, besonders dann, wenn wir „an uns halten“. Doch generell fühlt man sich, als hätte man viel zu viel physische Energie, als wäre man stärker als sonst.

Wahrhehmungen

Wir werden auch hyperalarmiert, zumindest was Ereignisse betrifft, die mit der Wut zusammenhängen. Das heißt, dass wir nur bestimmte Dinge wahrnehmen (wollen) und andere nicht. Unsere Aufmerksamkeit konzentriert sich natürlich auf das Objekt unserer Wut, als wäre es mit einiger Wahrscheinlichkeit die Quelle weiteren Ärgers. Das Objekt wirkt jetzt gefährlich.

Wir konzentrieren uns auch auf die Wut an sich, unsere Gedanken verweilen darin. Die Gedanken drehen sich, “füttern” die Wut, indem weitere Ungerechtigkeiten erinnert werden. Das wirkt wie eine „Lawine“, denn man fühlt, wie man tatsächlich die Kontrolle verliert. Die Wut treibt uns an, nicht umgekehrt. Wir werden davon “aufgefressen”.

Wenn man wütend ist, fühlt man das Tier in sich. Es funktioniert reflexartig oder instinktiv, und wir erwarten von anderen, dass sie das verstehen. Würde uns in dieser Situation jemand fragen, warum man wütend ist, reagierten wir entrüstet: Wäre nicht jeder in meiner Situation wütend? Die Wut wird als Verstoß gegen eine universelle Regel empfunden, nicht bloß als Verstoß gegen unsere eigenen spezifischen Bedürfnisse oder Wünsche. (Deshalb ist es so schwierig, mit einer wütenden Person zu diskutieren!)

Unser Fokus ist eingeschränkt, wie beim Tunnelblick. Der Rest der Welt „verblasst“ oder wird zumindest unwichtig. Drängt sich die Welt auf—besonders in Form anderer Menschen, sogar der Freunde—richtet sich unsere Wut auch darauf. Wenn ein Freund beispielsweise versucht, uns zu beruhigen, schieben wir ihn weg oder sagen ihm, er soll die Klappe halten. Wir sind nicht sonderlich tolerant. Und es gibt nichts mehr, das uns Freude macht.

Wir verlieren die Perspektive—und genau das brauchen wir, um die Kontrolle wieder zu gewinnen—und wir fangen an, die Welt als feindselig und grundsätzlich unfair zu empfinden. Wir werden vielleicht sogar paranoid und interpretieren alles durch die Wut. Wir „sehen rot“, sehen die Dinge so, als seien sie zu nah, als würden sie auf uns einstürmen.

Mit einiger Mühe erlangen wir vielleicht die Kontrolle ein wenig zurück, doch das ist schwierig, und die Wut bleibt immer unter der Kontrolle verborgen („es brodelt“). Wenn wir uns nicht zusammenreißen, fühlen wir die Wut gleich wieder aufsteigen. Leider sind uns die Bewältigungsstrategien in genau dem Moment am unzugänglichsten, in dem wir sie am dringendsten brauchen.

Im Grunde bedeutet das, dass es uns so vorkommt, als wäre uns eine bestimmte Sichtweise aufgezwungen worden, dass wir die Dinge also in dieser wütendenden Art und Weise sehen müssen. Alles, was uns von der Wut wegbringen würde, wird ignoriert oder uminterpretiert. Wir sind nicht mehr wir selbst, wenn wir wütend sind.

Wünsche

All dies dient einem Ziel: Wir wollen zu einer Situation zurückkehren, die vor dem Ereignis liegt, das unsere Wut ausgelöst hat. Eigentlich übersetzt sich dies als das Bemühen, die Person, das Ding oder das Ereignis zu zerstören oder zu entfernen, oder eben alles, was der Entfernung oder Zerstörung nahe kommt. Doch all dies ist nur ein Ersatz. Dieser Wunsch ist kaum zu erfüllen: Man kann die Zeit einfach nicht zurückdrehen.

Lösung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Am offensichtlichsten ist die Aggression. Sie bedeutet ein physisches Bemühen, die Welt wieder in einen Zustand zu zwingen, der dem Ausgangszustand ähnelt, d.h. der Schuldige soll zerstört werden. Wir wollen eine gerechte Welt wieder herstellen, eine gesetzmäßige Welt, in der die Dinge so laufen, wie sie sollen. Wir wollen Befriedigung, d.h. der Schuldige soll so leiden wie wir selbst. Das ist dann „nur fair“.

Aggression bedeutet nicht notwendiger Weise physische Aggression: verbale Aggression ist sehr beliebt. Worte sind symbolische Wesen, die sogar noch mehr Schmerz verursachen können als Faustschläge. Wir „reißen jemanden in Stücke“, wir „machen ihn fertig“.

Die Konfrontation steht der verbalen Aggression sehr nahe, man gibt seinen Gefühlen Ausdruck, lässt ihnen “freien Lauf”. Das kann ein Schritt hin zum „zivilisierten“ Umgang mit dem Problem sein, doch diese Vorgehensweise neigt dazu, in verbale Aggression zu münden.

Wenn man den Gefühlen freien Lauf lässt, verbal oder tatsächlich angreift, entsteht ein seltsam positives Gefühl. Es fühlt sich gut an, zumindest in dem Maße, in dem man sich erfolgreich fühlt. Ein extremes Beispiel: Ein einziger Fausthieb kann die unangenehme physische Anspannung und den engen psychologischen Fokus in ein intensives amphetaminähnliches Hochgefühl verwandeln. Man kann lächeln oder sogar lachen.

Wir können unsere Wut auch verschieben, indem wir zum Beispiel in ein Kissen boxen oder den Hund treten (oder den Ehepartner oder ein Kind). Dies ist aber letztlich unbefriedigend, dennoch bietet es unmittelbare Befriedigung, so dass dieses Verhalten habituell werden kann.

Die zweite große Möglichkeit ist das Unterdrücken der Wut. Wir verlassen den Schauplatz oder versuchen, uns abzulenken. Die meisten von uns haben im Laufe der „Zivilisation“ gelernt, Wut zu begraben. Doch wenn wir das tun, fühlen wir uns eher noch schlechter: wir weinen, entwickeln Kopfsschmerzen und andere Verkrampfungen, wir haben Schlafstörungen etc. Und psychologisch fühlen wir uns ohnmächtig, schwach, hilflos. Vielleicht schelten wir uns selbst, gehen immer wieder die Dinge durch, die wir hätten sagen oder tun sollen, und wir ziehen uns für eine Weile von allen gesellschaftlichen Kontakten zurück. Das ist als hätten wir beispielsweise zugegeben, dass die schlimmen Dinge, die man uns gesagt hat, tatsächlich wahr sind.

Die Wut wandelt sich in Traurigkeit um. Mit der Zeit hört es auf, vielleicht auch weil wir ein mal „herzlich weinen“ können. Doch das ursprüngliche Problem, die ursprüngliche Ungerechtigkeit bleibt, und dann träumen wir vielleicht davon, wir erinnern uns hin und wieder daran, wir entwickeln “Gram”, werden insgesamt reizbar, und wenn sich ähnliche Situationen ergeben, wird unsere neu aufkommende Wut von der ungelösten Situation noch verstärkt.

In beiden Fällen--Aggression oder Unterdrücken—stellen wir uns die Aggression vielleicht nur vor, und in unserer Vorstellung wird die Reaktion wesentlich grausamer und dramatischer ausfallen, als in Wirklichkeit. Diese Vorstellungen sind zwar angenehm, doch weil sie die Dinge nicht richtig stellen können, kann auch das habituell werden. Manche meinen schließlich, auch die Vorstellungen unterdrücken zu müssen...!
Die dritte Zugangsweise ist die vielleicht vernünftigste und mit Sicherheit die kultivierteste. Wir können die Situation gedanklich restrukturieren, so dass sie nicht länger als Verstoß gesehen werden muss. Man kann sich nämlich ein wenig distanzieren, die Perspektive anpassen, einen Schritt zurücktreten und die Lage einschätzen, das ganze Bild ansehen etc. Manchmal stellt man vielleicht mitten in einer wütenden oder aggressiven Situation fest, was man tut, man hört sich selbst sprechen, und man wird in der Lage sein, sich der Wut zu entziehen.

Es ist schwer zu sagen, ob das wirklich rational oder nicht doch zumindest partiell defensiv ist, d.h. restrukturieren wir die Dinge oder biegen wir die Wirklichkeit zurecht. Wenn uns jemand angreift und wir erkennen, dass die Person sich gerade nicht unter Kontrolle hat, kann man die Situation restrukturieren, vergeben, vergessen und weitergehen. Geschieht jedoch andererseits eine tatsächliche Ungerechtigkeit, und man schüttelt sie ab, als ginge sie uns nichts an, dann vermeidet man die Verantwortung.
Manche Leute sagen "I don't get angry; I get even."  Auch das stellt Restrukturierung dar: diese Leute verwandeln eine Situation, auf die sie reagieren, in eine Situation, auf die sie ihre Kräfte richten. Es wird eine Herausforderung daraus. Dies kann positiv oder negativ sein: Säubern wir die Straßen von Drogendealern, oder sind wir Mitglieder einer Bürgerwehr, „Zahn um Zahn“?

Generell zerstreut sich die Wut, zumindest was ihre physischen Symptome betrifft, eher langsam, selbst wenn man zuschlägt. Dies wiederum führt uns zu der Annahme, sie habe mächtige physiologische Unterstützung. Doch sie verfliegt. Der physische Aspekt kehrt sich ins Gegenteil um. Anschließend fühlt man sich sogar vielleicht besser. Man sammelt die Wut nicht wirklich innerlich an—doch sie lässt sich immer aufs Neue wiederbeleben, wenn das ursprüngliche Problem nicht richtiggestellt wurde.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Wut ein „normaler“ und kein pathologischer Zustand ist. Es mag bessere Wege im Umgang mit Schwierigkeiten geben, doch dies ist ein sehr menschlicher Weg.
 
Die Essenz der Wut

Ich gehe davon aus, dass Wut unsere Antwort auf die Verletzung dessen ist, was wir als Regeln der Realität betrachten, wenn wir zudem wahrnehmen, dass wir uns dieser Verletzung nicht anpassen können und sollten, dass die Quelle der Verletzung dort draußen liegt und geändert werden sollte.
Die Wut ist eher größer, wenn die verletzten Regeln gesellschaftlicher Art sind, und nochmals größer, wenn uns die Regeln persönlich betreffen. Sie ist so persönlich und gesellschaftlich, dass wir in einer Weise handeln, die nur auf Menschen angewandt effektiv wäre, selbst wenn wir unsere Wut auf Gegenstände richten (z.B. wenn wir einen platten Reifen treten und anschreien).

Die Wut ist eng an physiologische Effekte gebunden, eindeutig solche, die uns Energie zum Handeln liefern. Man denke an das berühmte "fight or flight" [kämpfe oder flieh]. Es scheint ein primitiver, tierähnlicher, instinktgeleiteter Prozess zu sein, der zwar eindeutig menschlich ist, dennoch aber anderen menschlichen Werten antagonistisch gegenübersteht.

Was die Wahrnehmung betrifft, so verändern wir uns auf dieselbe Weise, d.h. wir sind aufmerksamer für die Quelle unserer Wut und weniger aufmerksam für Dinge, die nicht relevant sind. Leider wird die Vernunft überwältigt—vermutlich also etwas, das für dieses Notfallprogramm nicht mehr bedeutsam ist.
Es ist unser Ziel, zur „Normalität“ zurückzukehren, zur Gerechtigkeit, Rechtmäßigkeit .... Und da dies nicht ohne weiteres durchführbar ist, versuchen wir uns diesem Ziel so gut wie möglich zu nähern.

Je nach Übung, Intensität unserer Wut, jeglicher temperamentbedingter Neigung, die wir vorweisen, und je nach Situation etc. entscheiden wir uns vielleicht für eine direkte Herangehensweise, vielleicht mit Aggression oder zumindest mit verbaler Aggression, oder wir versuchen vielleicht, die Wut zu unterdrücken (die Normalität wiederherstellen, indem wir uns selbst ändern), oder wir versuchen vielleicht die Situation neu zu bewerten, d.h. sie nicht mehr als Regelverstoß und damit nicht mehr als Ursache der Wut zu sehen. Die Effektivität jeder dieser Herangehensweisen variiert beträchtlich, und jede hat ihre Vor- und Nachteile. 


Copyright 1998, C. George Boeree